Gymiprüfung: Kinderarbeit mit Alternative

Kolumne

In den letzten Wochen fanden sie statt: die Gymiprüfungen. Von Eltern und Kindern gleichermassen gefürchtet und teilweise tränenreich begleitet.

3'276 Prüflinge haben den Sprung ans Gymnasium geschafft (54%). Oder negativ formuliert: 3’144 Kinder (46%) mussten ihre erste veritable Niederlage einstecken. Lohnt sich das?

Der Sturm ans Gymi hat Tradition: Schon vor Jahrzehnten galt das Langzeit-Gymi als «Königsweg». Logischerweise würden nur Rabeneltern ihrem Kind den Königsweg verwehren. So werden stattlich Geld und Nerven investiert, um das Kind in eine Prestigeanstalt zu bugsieren.

Gymi ist nicht mehr Schicksalsfrage

Als Präsidentin des Gewerbeverbands sollte es mich ja freuen, dass rundum die Gymiprüfung eine grosse Dienstleistungsindustrie entstanden ist. Wo es Nachfrage gibt, gibt es auch Arbeitsplätze. Sehr produktiv sind sie jedoch nicht.

Noch vor einigen Jahrzehnten war der Tag der Gymiprüfung matchentscheidend. An diesem einen Tag wurde praktisch final über den beruflichen Lebensweg entschieden. Es gab zwar schon das Tech in Winterthur (heute ZHAW) und andere Weiterbildungsmöglichkeiten, aber nichts war mit dem Hochschulstudium zu vergleichen. Dann kam die Anerkennung der Fachhochschulen, mit lauter Vorteilen für praktisch Begabte: Die Abgänger verdienen fünf Jahre nach dem Abschluss mindestens gleich viel wie Uni-Absolventen und haben bessere Chancen, bereits in einer Führungsposition zu sein – so zeigen jährliche Untersuchungen des Bundesamtes für Statistik. Ein FH-Absolvent mit Bachelor-Abschluss erhält als Praktikant eine Vergütung von 42’000 Franken pro Jahr, Uni-Absolventen erhalten in gleicher Position 30’000 Franken (staufenbiel.ch).

Die Tore sind mit einer Berufslehre weit offen

Für Kinder, die schulisch früh grosses Potenzial haben, sind das Gymi und die Uni empfehlenswert. Aber Achtung: Gerade die Geisteswissenschaften sind überlaufen und garantieren keine gute Zukunft, Doktor hin oder her. In einigen Fächern wird neuerdings ein numerus clausus gefordert. Wozu spätere Arbeitslose akademisch ausbilden?

Deshalb liebe Eltern: Wählen Sie die Schule, die Ihrem Kind auch psychisch gut tut. Das Bildungssystem in der Schweiz garantiert allen Fleissigen eine solide Karriere, egal ob mit Uni oder Berufslehre. Wichtig für den Erfolg sind vor allem Selbstbewusstsein und Motivation. Und gerade diese beiden Eigenschaften werden im Gymi auf eine harte Prüfung gestellt.

Nicole Barandun-Gross
Präsidentin Gewerbeverband der Stadt Zürich