Im rechtsfreien Raum lebt es sich vorteilhaft

Kolumne

Der Stadtrat plant eine Entlastung des Gewerbes! Die Tagesbewilligungen für die Benützung des öffentlichen Raumes werden abgeschafft, und die Stadt verzichtet auf jährliche Einnahmen von rund 80‘000 Franken.

Vielleicht reiben Sie sich nun die Augen und fragen sich, wieso sich denn das Zürcher Gewerbe über hohe Gebühren und bürokratische Auflagen beklagt? Weil die geplante Erleichterung eben nicht für alle gilt, sondern nur für das älteste Gewerbe der Welt. Nach dem Willen des Stadtrats sollen die nachtaktiven Damen von der Gebühr in Höhe von 5 Franken pro Tag befreit werden, die sie bis anhin an den Strassenstrich-Ticketautomaten lösen mussten. Es sei ihnen gegönnt.

Aber vielleicht könnte man ja alle Gewerbetreibenden gleich behandeln – auch diejenigen, die Ihre Dienstleistungen am Tag anbieten. Der Coiffeur, welcher mit dem sogenannten Passanten-Stopper auf freie Termine hinweist, zahlt nach wie vor eine happige Gebühr. Unsere Wirte haben sich peinlichst genau an ihre Bewilligungen zu halten. Für Männlein, Weiblein und Behinderte haben sie gefälligst getrennte WCs anzubieten. Ganz im Gegensatz zum Trend im Ausland, wo Gendertoiletten der neue Ausdruck einer aufgeklärten Gesellschaft zu sein scheinen. Aber bei uns herrscht Ordnung. Und deshalb müssen Tische und Stühle von Gartenrestaurants exakt innerhalb der weissen Markierung bleiben, sonst wird gebüsst.

Dennoch, es gibt ihn noch, den Ort der absoluten Gewerbefreiheit in der Stadt Zürich. Keine lästigen Bewilligungen, keine genormten Maroni-Häuschen, keine Kontrollen der Gewerbe- oder Baupolizei! Selbst der Gewinn aus fröhlichen Veranstaltungen muss nicht versteuert werden. An diesem Ort kollektiver Belustigung hat auch der Lebensmittelkontrolleur nichts verloren. Dieser Ort wo die Stadt Wirtschaft und Gewerbe freie Entfaltung zugesteht ist - Sie wissen es schon – das Kochareal. Ohne staatliche Kontrolle und im rechtsfreien Raum lebt es sich dort ganz ungeniert und äusserst vorteilhaft.

Die Stadt plant auf dem Kochareal in ferner Zukunft ein Gewerbehaus. Spätestens dann wird der Stadtrat aber sicher wieder dafür sorgen wollen, dass Zucht und Ordnung herrscht. Es kann ja nicht sein, dass sich (gewöhnliche) Gewerbetreibende um staatliche Regeln foutieren und eine Sonderbehandlung beanspruchen dürfen. Wo käme man denn da hin...

Nicole Barandun-Gross
Präsidentin Gewerbeverband der Stadt Zürich