Sommergedanken am Münsterplatz

Kolumne

«Zürich ist eine wunderwürdige stadt, zierlich wie ein iuwel», so die Überschrift auf einem Stadtplan aus dem Jahr 1576. Das schöne Zürich ist also nicht eine Erfindung der Stadtregierung. Die Zürcher fanden Zürich schon schön, als man noch Hexen verbrannte und die Pest wütete.

So wandle ich denn über den neuen Münsterplatz und muss zugeben: Er ist wirklich schön geworden. Wir vom Gewerbe waren zwar kritisch, denn Parkplätze sind die besten Umsatz-Generatoren, und davon gibt es auf diesem «zurückhaltend gestalteten Freiraum» (Wording aus stadt-zuerich.ch) keinen einzigen. So hoffe ich als Gewerbeverbandspräsidentin, dass die Velofahrer hier ebenso fleissig einkaufen wie die Autofahrer. Oder werden hier dereinst nur noch Cybercafés und Money Change neben einem Kirchendenkmal stehen? Der Mensch geht gerne davon aus, dass das Gute sowieso so bleibt wie es ist und das Schlechte sich problemlos abschaffen lässt. Dass wir in Zürich etwas anderes sein könnten als reich, ist schon länger nicht mehr auf dem Kompass. Aber vielleicht muss man dem was gut und wichtig ist auch Sorge tragen, damit es nicht verschwindet.

In diesen Gedanken versunken blicke ich auf die «durchgängige Pflästerung aus Naturstein ohne Trottoirs» und male mir die ersten unfreundlichen Begegnungen zwischen Fussgängern und Velofahrern aus, denn den letzteren gehören die Stadt und ihre Plätze. Noch präsentiert sich der neue Münsterhof etwas leblos. Zukünftig soll er jedoch für Grossanlässe zur Verfügung stehen und zum «Flanieren und Verweilen» einladen. Flanieren dürfte gehen, mit dem Verweilen ist es schon schwieriger, weil die «Sitzelemente» (volkstümlich Bänke genannt) keine Rückenlehne haben. Vielleicht spürt man insgeheim doch, dass wir uns nicht zu bequem zurücklehnen sollten? Übrigens: Wirklich entspannen lässt es sich in den Schweizer Bergen… ich wünsche Ihnen einen schönen Sommer!

Nicole Barandun-Gross
Präsidentin Gewerbeverband der Stadt Zürich