Fachkräftemangel hausgemacht

Kolumne

Das duale Berufsbildungssystem der Schweiz ist eine Erfolgsgeschichte, das kann man nicht genug betonen. Firmen übernehmen gesellschaftliche Verantwortung, führen Jugendliche in gefragte Berufe ein, machen die Lehre zum attraktiven Bildungsweg und sorgen für sehr geringe Jugendarbeitslosigkeit.

Für die hohe Qualität sprechen auch die immer vorderen Plätze der Schweiz an internationalen Berufswettbewerben. Wer später «den Knopf auftut», kann, wenn er/sie will, später via Berufsmatur oder Passerelle eine Tertiärausbildung absolvieren oder sich auf dem erlernten Beruf fortbilden.

Hochschulen wichtig für Wirtschaftsstandort Zürich, aber…

Uni und ETH bilden hervorragende Fachkräfte aus, genau, was Unternehmen und Forschung in Zürich suchen. Die gleichen Firmen brauchen aber auch gut ausgebildete Berufsleute, um innovative Projekte auf höchstem Niveau zu realisieren – nicht nur für die Ausführung, sondern als wichtige, fachlich versierte Inputgeber für bestmögliche Resultate. Aber: Haben wir uns mit der Akademisierung nicht etwas verrannt, wenn man für gewisse Berufe ein Studium braucht, wo das früher nicht nötig war, zum Beispiel bei Medizinalberufen und Lehrpersonen für Kindergarten und Unterstufe? Wenn eine Fachperson Betreuung mit Berufsmatur nicht an der Pädagogischen Hochschule studieren darf, werden Fähigkeiten und praktische Erfahrung nicht wertgeschätzt und falsche Zeichen gesetzt. Genau diese Berufsleute sind unter Umständen im Klassenzimmer viel belastbarer als jene, die den Umgang mit Kindern nicht kennen und sich ein falsches Bild machen.

Durchlässigkeit neu denken, auch horizontal

Klar ist, erfahrene Berufsleute schaffen einen Quereinstieg recht gut. Machbar und wünschenswert ist darum, dass Menschen mit guter Ausbildung aus dem Ausland, diese in der Schweiz problemlos nachqualifizieren und hier auf ihrem Beruf arbeiten können. Niemand versteht, warum wir unsere Ärzte nicht selber ausbilden. Numerus clausus? Hier geht es nicht nur ums Fachliche, sondern auch um Zwischenmenschliches, Sprache, Kultur. Apropos Berufsstolz: Wenn Gastgeberqualitäten wie Fisch tranchieren und entgräten, flambieren, Weinempfehlung zum Essen, Wissen über Speisenzubereitung wieder honoriert werden, dann finden sich auch wieder Junge, die sich zu Servicefachangestellten ausbilden lassen. Denken wir mal darüber nach.

Nicole Barandun-Gross. Präsidentin Gewerbeverband der Stadt Zürich