Wie viel Ordnung muss sein?

Kolumne

Der Sommer in Zürich ist immer eine ganz wunderbare Zeit.

Ohne weit weg zu fahren, weil gerade das viele andere tun, trifft man sich in Pärken, in der Badi oder am See – auch ohne, dass alles gratis sein muss. Die Stadt ist menschenleer, der Verkehr rollt. Zeit, selber etwas herunterzufahren.

Sommer endet an der Bodenmarkierung

Die vielen Lokale bieten sich an für eine Erfrischung im Freien. In einem Gässli der Altstadt ohne Autos, dafür mit Treppe am Ende und darum auch ohne Velos und Kinderwagen, nippe ich am Glas. Neben mir zwei Amerikaner. Der eine dreht den Stuhl etwas, um bequemer sitzen zu können. Wie von der Tarantel gestochen erscheint die Servicefachfrau und bittet, er möge das Stuhlbein in die Bodenmarkierung zurückstellen, sie seien schon mehrfach gebüsst worden. Beim Znacht im Kreis 5 fällt mir anderntags auf, dass dort zwei Restaurants das ganze Trottoir belegen. Zufussgehende weichen entspannt auf die leicht befahrene Strasse aus.

Sommerlektüre «Lei(d)tfaden Boulevardgastronomie»

Bevor jetzt im Kreis 5 die strenge Regel der Altstadt angewendet wird, wäre doch eine etwas grosszügigere Auslegung der Züri-Eggli angebracht. Klar ist, der Durchgang muss gewährleistet sein. Tatsächlich gibt der Leitfaden zur Boulevardgastronomie unterschiedliche Masse vor. Getarnt als «gemeinsame Spielregeln», ist er in Wahrheit ein Paradebeispiel für die Überregulierung in der Stadt Zürich, mit der nicht nur das Gastgewerbe tagtäglich zu kämpfen hat. Nicht weniger als acht Ämter sind involviert, selbstverständlich mit entsprechenden Gebühren. Zürich als Stadt der Kreativen? Fehlanzeige, der Leitfaden erstickt jede individualisierende Bestrebung. In bester Erinnerung ist der Kahlschlag in der Europaallee, wo einladende Beleuchtung und Deko ersatzlos abgebaut werden mussten.

Boulevardgastronomie ist entspanntes Dolcefarniente zu Hause, sie belebt den öffentlichen Raum und sorgt auch dafür, dass Menschen sich sicher fühlen. Nur eine Stadt, die lebt, ist eine lebenswerte Stadt.

Nicole Barandun-Gross, Präsidentin Gewerbeverband der Stadt Zürich