Viel Klimapoesie, wenig Substanz
Advent, die Zeit der Besinnung – ausser in Zürich. Hier verwechselt die Stadt Weihnachten mit Ostern – und legt uns ein Ei nach dem anderen unter den Christbaum.
Sie beschenkt gerne Leute mit allerlei Segnungen und das Stimmvolk macht wacker mit: Veloroute, ZVV-Abo, Krankenkassenverbilligung… Ein Geschenk, das wirklich Freude machen würde – eine Steuersenkung – bleibt selbstverständlich aussen vor. Lieber sucht man verbissen nach immer neuen Projektli, die man beglücken kann.
Klima-Pilotprojekt Netto-Null in der Binz und Alt-Wiedikon
Für satte CHF 7,7 Mio. will die Stadt im neusten Wunderwerk lokale Initiativen und Mitwirkung im Quartier fördern. Konkrete Massnahmen? Fehlanzeige. Umerziehung ist das Zauberwort. Anstatt in Wärmeverbünde, klimafreundliche Heizsysteme oder Wärmedämmungsmassnahmen im «Klimaquartier» zu investieren, setzt die Stadt einmal mehr auf partizipative Budgets. Das kennt man schon, der Schlachthof lässt grüssen. Die Bevölkerung soll Ideen bringen. Das Sagen haben so Klimaaktivisten, (Lebens-) Künstler und selbsternannte Experten mit Partikularinteressen. Output?
Jetzt also auch noch Klima-Workshops fürs Gewerbe
Während die Stadt (nicht nur) bei diesem Projekt offenbar nicht weiss, wohin mit ihrem Berater-Budget, kämpfen viele lokale Betriebe mit steigenden Kosten, Fachkräftemangel und bürokratischen Auflagen der Stadt. Statt moralpädagogischen Workshops braucht das Gewerbe verlässliche Rahmenbedingungen, Planungssicherheit und Luft zum Atmen – nicht moralischen Druck. Klimaschutz ist wichtig, aber er gelingt nur, wenn man die Realitäten von KMU respektiert: Wer täglich um Aufträge, Mitarbeitende und Liquidität ringt, braucht praxisnahe Entlastung, nicht neue Projektwelten mit unklarem Nutzen. Ausserdem gibt es schon längst den gut funktionierenden Öko-Kompass der Stadt für die Energieberatung von KMU, wo der Gewerbeverband auch an Bord ist. Output!
Strategie oder Feigenblatt
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Stadt zwar ein Ziel vor Augen hat, aber keine Ahnung, wie sie dorthin kommen will. Dazu stehen Unternehmertum und Verantwortung in grösstmöglichem Gegensatz. Das Pilotprojekt ist ein weiteres Feigenblatt.
Nicole Barandun, Präsidentin Gewerbeverband der Stadt Zürich
